Auf dem Weg zum Bäcker kamen mir kurz Zweifel, ob es so schlau war, eine Fremde allein in meiner Wohnung zu lassen und dann musste ich doch schmunzeln. Wie vielen Couchsurfern hatte ich schon den Schlüssel gutgläubig in die Hand gedrückt, dass ich mir jetzt nun wirklich keine Gedanken machen brauchte.
In der Schlange vor der Theke lassen sich die verschiedensten Typen beobachten. Da haben wir die alten Damen, die sich eine große Tüte mit allerlei Gebäck packen lassen. Vermutlich brauchen sie so lang zum Bäcker, dass sie zur Wegzehrung etwas brauchen und es so wohl nur einmal in der Woche den beschwerlichen Weg laufen müssen. Dann das junge Paar, welches gestriegelt aus dem mittelgroßen Mercedes aussteigen, nicht, weil sie zu faul wären, sondern weil sonst niemand den Wohlstand bemerken würde, in dem sie leben. Dann gibt es den schnaufenden Kerl, der selbst am Sonntagmorgen nicht die Nerven hat, dass die alte Dame eben jeden Cent einzeln aus ihrem Portemonnaie kramt und natürlich noch uns restliche Frischgebäckgenießer, die die Zeit nutzen, sich zu entscheiden, was sie denn eigentlich haben wollen, um dann das letzte Käsebrötchen an die Person vor sich zu verlieren.
Ich hatte mich für ein paar Vollkorn- und für Sonnenblumenkernbrötchen entschieden und war nach weiteren zehn Minuten wieder in meiner Wohnung. Die Tür zum Badezimmer stand offen und der Spiegel war noch leicht beschlagen. Die Joggerin kam mir in das übergroße Badetuch eingewickelt und zusätzlich noch im Bademantel entgegen, denn bei dem Plan zu duschen hatten wir jeweils vergessen, dass man danach nur ungern wieder in verschwitzte Laufklamotten schlüpft. Mir gefiel, ihre gedankenverlorene Art, die mir selbst zu eigen ist. Ich kramte ein indisches Fischerhemd und einen Wickelrock aus meinem Kleiderschrank hervor, dazu noch frische Unterwäsche und schickte sie ins Badezimmer, während ich im Wohnzimmer den Esstisch deckte und Wasser für einen Tee aufkochte.
Sie fragte mich, wem denn der Wickelrock gehörte und ich zeigte auf mich. Ich mag den Moment, der nach solch einer Aussage aufkommt. Ein Moment, in dem offensichtliche Gedanken durch den Kopf des Gegenübers schwirren und überlegt wird, wie man die Frage formuliert oder ob man sie gar nicht stellt. Und dann erkläre ich meist ganz ungefragt. So war es zumindest in diesem Fall, als ich zugab, dass so ein Rock einfach unheimlich bequem sei und gerade wenn es warm ist und man eh den Tag nur auf dem Balkon oder in der Wohnung verbringt, dann würde ich das sehr zu schätzen wissen. Sie nickte lächelnd.
Während wir uns die Brötchen schmecken ließen, erfuhr ich von ihr, dass sie Julia heißt. Und immer mehr wurde ich mir ihrer Attraktivität bewusst, die mit jedem Grinsen in die Welt hinaus strahlte. Kein Flirt der letzten Winterwochen fühlte sich so herzlich an, wie jeder noch so kleine Moment bei diesem Frühstück. Als ich zwischendrin mal auf die Toilette verschwand, vernahm ich ihren Gesang. Offensichtlich lag ihr die Musik, die ich herausgesucht hatte und mir gefiel ihre Stimme. Sie summte noch ein wenig weiter, als ich wieder das Zimmer betrat und ich fragte mich, ob sie sich immer so schnell einem bis dahin noch Fremden öffnete. Aber vielleicht waren wir jetzt auch schon längst keine Fremden mehr.
Warum fällt mir jetzt der Satz „Die Fremde in meinem Bett“ ein? Ach ja, darüber hatte ich einst geschrieben. 😉
Ben im Rock? Das rockt.
Also wie du auf die Fremde in meinem Bett kamst, ist mir tatsächlich rätselhaft, denn diese „Fremde“ hier landete ja nur am Frühstückstisch und unter unter der Dusche 😀
Danke sehr, ich finde ihn auch sehr bequem, dummerweise ist der luftige Stoff so luftig, dass man recht gut erkennt, was sich unter dem Rock befindet, das fiel mir damals im Laden nicht auf (immer so eine Sache mit dem Licht).
Ich denke anders, ich denke quer. Nicht nur queer 😉 Wortspiele gehören für mich zum Leben. Zitate, Fragmente. Darauf baue ich auf. Oder damit. Und immer gern.
Ja, Röcke sind praktisch.
Gerade im Sommer mit nix drunter. 😉
Mjam…genau die richtige Einstellung 😛
Und gerade Schotten im Kilt regen die Fantasie an ..
Hm…ich hab gerade keinen Schotten zur Hand…
Aach ich mag diese Geschichte, und ich mag deine Schreibweise 🙂
Vielen Dank, das ist das Grinsen wieder breit 😀
Wirds noch weitere Teile geben?
Und, ich weiß das fragt man nicht, aber ich will nicht schon wieder unter Realitätsverlust leiden 😉 Ist die Geschichte wahr?
Ich schrieb die Geschichte in der Nacht vom Montag auf Dienstag und es war eine Geschichte aus einem Guss. Meist misslingen mir Fortsetzungen so einer abgeschlossenen Geschichte, deswegen plane ich es nicht, aber natürlich kann mich die Lust auf eine Fortsetzung ebenso überkommen, wie die ersten drei Teile, die ja eigentlich ungeteilt entstanden 😉
Tja und zu deiner letzten Frage…da halte ich mich immer bedeckt. Ich verrate gern, dass alle meine Geschichten sehr stark mit meinem Leben verknüpft sind, gleichzeitig aber hier und da eine Portion „Erfundenes“ hinzugetan wird. Und so wie „Ben Froehlich“ nur eine Kunstfigur mit einem echten Alias ist, sind auch seine Geschichten künstliche Gebilde gemischt mit wahren Erlebnissen. 😉
Gut, dann leide ich nicht unter Realitätsverlust & träume weiter 😉
Wunderschön 🙂
Vielen Dank 😀
Nein, nein, nein … Das ist noch nicht fertig erzählt, Herr Fröhlich! Suchen Sie die Muse und lassen Sie sich ordentlich abknutschen! 🙂
Was fehlt denn noch??? 😛
Sex!!!!!!!! 🙂
(Ich bin so einfach gestrickt … Vllt habe ich Mann-DNA? *g*)
Für den Sex bist du zuständig 😉
Aber ich kann nicht joggen? 🙂
Dann musst du mehr vögeln 😉
Ein famoser Dreiteiler, lieber Ben. Ich würde gerne eine Fortsetzung lesen, andererseits ist hier der letzte Satz so großartig für’s eigene Weiterspinnen; ich weiß nicht, was mir lieber wäre. Grüße an den Wickelrockträger (Fetzt!), Käthe.
Vielen Dank für das Kompliment, aber es ist ja gar nicht so schlimm, wenn ich meine Leser dadurch auf eine ganz eigene Reise schicke 😀