Wie sie so im Bus sitzt und aus dem Fenster schaut. Als würde sich die Welt nur außerhalb von ihr abspielen. Gedankenverloren. Keine Reaktion auf das schreiende Baby oder die rumblödelnden Jugendlichen. Fast schon regungslos sitzt sie da mit ihrer anmutigen Schönheit und sieht die Häuser, Bäume und Menschen wie einen Farbschleier, der sich vor ihren Augen entlangzieht. Nichts reißt sie aus ihrer Fassung, bis sich plötzlich ein Lächeln in ihr Gesicht zaubert. Ihre Hand wandert in die Hosentasche und ein Handy kommt zum Vorschein. Die Augen fliegen über die Buchstaben und fast noch schneller bewegen sich kurz darauf ihre Finger über die gläserne Oberfläche. Ein kurzes Warten und wieder brummt das Gerät zwischen ihren Fingern. Ihre Haltestelle verpasst sie fast und bemerkt erst am Bremsen, dass sie aussteigen muss.
Schnell ist sie Zuhause und packt eifrig die Einkäufe in den Kühlschrank. Ja, das hat Vorrang, aber den PC hat sie zuvor bereits angeschaltet, damit er auf sie wartet, wenn alles fein säuberlich eingeräumt ist. Ein Joghurtglas und einen Löffel greift sie sich und setzt das virtuose Fingerspiel aus dem Bus an der Tastatur fort. So viele Gedanken und Worte, die aus ihr heraus wollen und die sie sonst für sich behält. Der Chat mit der besten Freundin auf der einen Seite und ein neuer Blogeintrag auf der anderen. Keiner soll warten müssen, denn wer weiß, ob die Welt sie heute noch hört, wenn sie nicht schnell genug ihre Gedanken heruntertippt. Die Schönheit der Worte könnte verloren sein.
Stunden später schreibt sie noch immer mit ihrer Freundin oder schon wieder. Ihr Blick geht auf den Posteingang und es gibt neue Kommentare. So wundervolle Worte und Glückwünsche. Doch ein Kommentar sticht hervor. Er sticht hervor und tief hinein. Worte, die verletzen wollen und sie treffen. Für einen kurzen Augenblick. Dann löscht sie den Kommentar. Stumm bewegen sich ihre Lippen, so wie es ihr immer passiert, wenn sie schreien möchte und doch nicht kann, sie würde es ja doch nicht hören. Eine eingeklammerte Eins erinnert sie an die Freundin im Chat. Kurz macht sie sich Luft und dann verraucht die Wut. Lautlos.
Ohhh…das ist schön geschrieben und sehr berührend…
Oh, danke sehr. Ich hab mich beim Schreiben gefragt, ob das Gefühl rüberkommt, aber anscheinend schon. 🙂
Bei mir auf jeden Fall ……..:-)
Das ist doch ein kleiner Sonnenschein an einem verregneten Sonntagabend 🙂
Das liest sich genau so schnell, wie da parallel kommuniziert wird. Wenn da die Gefühle mal mitkommen…!
Aha, du hättest es gern ausschweifender gehabt?
Ich glaube, die Formulierungen sind derart prägnant, dass dadurch ganz gut auf das große Bild geschlossen werden kann. Oder – Himmel hilf – komme ich am Ende gerade nur bei mir selber an?
Ich kann dir da nicht helfen. Die Geschichte steht für sich und wenn du dich darin wiederfindest, dann ist das ja nicht schlecht, ich finde mich zumindest selbst durchaus in der Geschichte, wenn auch nur in einem kleinen Teil. Lustig ist aber, dass der Text am Anfang über ein taubstummes Mädchen sein sollte und das am Ende fast untergeht bzw. man es nicht unbedingt herausliest.
Oh, tatsächlich, diese Pointe habe ich überlesen. Durch die technischen Möglichkeiten haben die wohl mittlerweile ähnlich viel Sprache ständig um sich, wie Hörende.
Ja, ist auch nicht schlimm, wenn man es nicht mitbekommt. Dann sind es nur die Tags, die es verraten könnten 😉 und ja, durch die Technik haben sie eine bessere Möglichkeit, zu kommunizieren und gleichzeitig sind sie noch immer ausgegrenzt, denn wer kann schon Gebärdensprache?
Tags übersehe ich meistens – hat mir in deinem Falle auch schon lustige Ahas und wichtige Pointen beschert.
(Ich „kann“ – aber nur noch so, wie wenn man wenige Semester lernt und zehn Jahre nichts mehr damit zu tun hat.)
Tags gehören ja eigentlich auch nicht zum Inhalt 😉 und die Fingerfertigkeit kommt schon wieder, wenn sie erst gefordert wird.
Ich liebe Deinen Blick für so feine, kleine Details. Der Farbschleier vor ihren Augen, das Bremsen, das sie erst aufmerksam macht, das Glas, kein schnöder Plastikbecher, ihre Angst, die Schönheit ihrer Worte könnte verloren sein… ach, ich könnte ja einfach den ganzen Text wiederholen. Bis hin zum lautlosen verrauchen. Fein, ein typischer Bentext. Danke, Deine Käthe.
Oh, ein Bentext 😀 das gefällt mir außerordentlich. Danke.
Ein toller Kommentar von Frau Knobloch, der die Bilder, die du beim lesen in den Kopf zauberst sehr treffend beschreibt…
Ja, die Käthe weiß wirklich, wie man mit Worten umgehen kann. 🙂
Nicht nur Frau Knobloch, auch du weißt sehr gut mit Worten zu zaubern 🙂
Danke sehr. 😀
Schon nach dem ersten Satz war ich echt gepackt. Ich muss da immer schmunzeln, ich hab so einige nette Menschen in den Offis kennengelernt.
Offis? Jetzt musste ich erst grübeln aber ich vermute, du kürzt einfach öffentlichen Nahverkehr ab oder? Für mich sind die Menschen, die ich so tagtäglich sehe, immer wieder ein Raum für Geschichten. 🙂
Ja, genau. Öffis, irgendwie wollte wohl der Umlaut nicht.
Oh ja das stimmt so sehr, aber viel spannender finde ich es eigentlich, wenn man per Zufall in die Geschichte eines anderen „hineinfällt“
Spannender ist das auf jeden Fall, aber es passiert ja nicht jeden Tag. Also mir zumindest nicht 😉
Mir auch nicht, ganz und gar nicht.
Aber neulich hab ich da wen richtig tolles kennengelernt *erröt*
Ui, klingt spannend. Hast du gar nichts von geschrieben.
Naja…. Vielleicht kommt demnächst was 😀 so durch die Blume
Na dann harre ich der Dinge, die da kommen. 😉
Ein wirklich schöner Text, den du da verfasst hast! Man kann ihn fühlen. Ich finde mich darin wieder.
LG Gedankenschmiedin
Hach, ich komm mir schon immer vollkommen bescheuert vor, wenn ich schon wieder ein Dankeschön schicke. Aber es ist oder soll zumindest dahingeschmissene Floskel sein. Mich freut das so sehr, wie die Texte ankommen und dass ihr Leser euch darin entdecken könnt. Ein größeres Kompliment kann ich mir nicht wünschen.